Projekt Kaktus in Biebesheim und Rüsselsheim unterstützt Kinder mit psychisch kranken Eltern

BIEBESHEIM - Noch ist es still im Zentrum Süd des Sozialpsychiatrischen Vereins (SPV) auf der Dammstraße 4: Die beiden „Caros“, die Betreuerinnen Carolina Lauer und Caroline Seufert, sammeln noch mit dem Kleinbus Kinder aus Riedstadt im Norden bis Gernsheim im Süden des Kreises ein. Zeit genug, um im behaglich eingerichteten Besprechungszimmer unter dem Dach die frisch erhaltene Urkunde für außergewöhnliches Engagement im Zusammenhang mit der Förderung benachteiligter Kinder zu zeigen. Verbunden ist die Auszeichnung der Town & Country Stiftung für das Kinderförderprojekt „Kaktus“ des SPV an den beiden Standorten Biebesheim und Rüsselsheim mit einer Spende von 1000 Euro.

Die Krankheit prägt das Familienleben

„Das hat uns sehr gefreut und wir sind sehr stolz“, sagt Panja Göttling, die seit Entstehung des Förderprojekts für Kinder psychisch kranker Eltern in Biebesheim vor elf Jahren die Gruppe und ihre Eltern betreut. „Diese Kinder stehen enorm unter Druck und haben einen ganz hohen Stresspegel, weil sie überall funktionieren müssen und nie sie selbst sein dürfen“, erklärt Göttling. Denn die Familiensituation sei geprägt durch die Krankheit eines Elternteils, während gleichzeitig die Kinder nach außen, insbesondere in der Schule, verzweifelt versuchen würden, die psychischen Probleme von Mutter oder Vater zu verheimlichen. Daher auch die Namenswahl: Der Kaktus gedeiht auch unter extremen Lebensbedingungen, kommt mit wenig Nahrung aus und kann doch wunderschöne Blüten bilden. Diesen Wachstumsprozess zu fördern ist das erklärte Ziel des SPV. „Wir holen die Kinder aus der Isolation, in dem wir ihnen hier eine stabile Gruppe mit Kindern in der gleichen Situation und viel Geborgenheit geben“, sagt Burkhard Held, Bereichsleiter Süd des SPV. Auch die Eltern werden nach Bedarf mit Einzelberatung betreut, Göttling macht Gesprächsangebote, berät bei Erziehungsfragen und begleitet auf Wunsch auch in die Schule. „Es gibt ihnen Sicherheit, auch wenn ich meistens gar nichts sagen muss“, erklärt Göttling. Eine Mutter, die sie bereits seit vielen Jahren betreue, sei voller Ängste, habe aber durch die stete Rückversicherung eine sehr liebevolle Beziehung zu ihrem Kind aufgebaut, gibt sie ein Beispiel.

Alle Kinder haben Göttlings Handynummer und wissen, dass sie jederzeit anrufen dürfen. Einmal in der Woche gibt es das Gruppenangebot, bei dem gespielt, gebastelt oder gebacken wird. Vor allem aber geht es möglichst viel nach draußen. „Die Kinder haben einen hohen Mangel an Bewegung, weil die Eltern es krankheitsbedingt nicht schaffen, mit ihnen nach draußen zu gehen“, erklärt Held. „Fast alle Kinder haben bei uns Schwimmen gelernt“, ergänzt Göttling. Denn im Sommer geht es so oft wie möglich ins Freibad, sonst gerne mit dem Roller an den Rhein oder auf Spielplätze. Ganz wichtig sind den Kindern Ausflüge und die Ferienfreizeit im Sommer. Umso mehr freuen sich die „Kaktus“-Betreuer über die Spende, denn damit können solche Zusatzangebote ermöglicht werden.

Natürlich geht es auch heute an die frische Luft. Denn mittlerweile sind die vier Jungs und drei Mädchen zwischen sieben und elf Jahren eingetroffen. Panja Göttling bewundert hier ein Paar neue Stiefel und dort das Klassen-Plüschtier, das ein stolzes Mädchen für den Nachmittag betreuen darf. Zwei Jungs holen noch Bälle aus dem Keller, dann geht es zielstrebig zum Spielplatz neben der Kulturhalle. Während die beiden Fußballbegeisterten auf dem benachbarten Sportplatz kicken, erobern einige Kinder die große Kletterlandschaft mit Ziehgondel und das Bodentrampolin. „Ich-Stärkung ist das, worum es hier eigentlich geht“, sagt Göttling, während sie lächelnd ihre Schützlinge beobachtet.

Quelle: www.echo-online.de